Die Herausforderungen der vergangenen Jahre haben viele Unternehmen dazu veranlasst, ihre Lieferketten auf den Prüfstand zu stellen und nach einer Minimierung der Abhängigkeiten von etablierten Standorten zu streben. So setzen viele Unternehmen zurzeit mit einer China+1-Strategie auf eine Erweiterung des Lieferantennetzwerkes sowie die Verlagerungen von Produktionen oder Niederlassungen an neue Standorte mit attraktiven Konditionen. Wir zeigen, welche Länder Im Rahmen dieser Diversifizierungsbestrebungen zu echten Alternativen werden, welche Faktoren bei der China+1-Strategie eine Rolle spielen und welche Aufgaben damit einhergehen.
- Gründe für die Umsetzung von China+1
- Auswahl von alternativen Produktionsstandorten
- China+1-Strategie in der Praxis
- Herausforderungen mit starken Partnern meistern
- Neuausrichtung der Lieferkette als fortlaufender Prozess
Gründe für die Umsetzung von China+1
er vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass multinationale Unternehmen zunehmend darauf angewiesen sind, sich bei der Produktion und in ihren Lieferketten breiter aufzustellen und ihre Geschäftsrisiken einzugrenzen. Mit der China+1-Strategie sind sie imstande, die Abhängigkeit von China als größte Fertigungsbasis der Welt zu reduzieren. Der Hauptfokus liegt dabei auf Diversifizierung. Verantwortliche suchen alternative Standorte für die Produktion und weiten Lieferkettenaktivitäten auf mindestens einen weiteren Lieferanten in einem anderen Land aus. Durch die Erweiterung der Lieferantenbasis lässt sich das Risikomanagement verbessern und die Gefahr von möglichen lokalen Produktionsunterbrechungen reduzieren. Gleichzeitig werden sie durch den Zugang zu neuen Märkten unabhängiger von Preissteigerungen, die auf chinesischen Handelspolitiken oder Währungsproblemen basieren.
Die Relevanz von China+1 steigt: Studien belegen, dass viele Unternehmen auf Multisourcing oder Dual Sourcing als Gegenmaßnahme zu Störungen in der Lieferkette setzen. Denn politische und ökonomische Rahmenbedingen können sich schnell verändern. Darüber hinaus spielen auch technologische Innovationen bei einer möglichen Neuausrichtung der Lieferkette eine Rolle: Beispielsweise kann der Fortschritt von Automatisierungen und Robotik in der Fertigung und damit Effizienzsteigerungen sowie Kostenreduzierungen einen entscheidenden Einfluss auf die Standortwahl haben.
Vietnam, Indien, Bangladesch? Auswahl von alternativen Standorten
Wollen Unternehmen eine China+1-Strategie erfolgreich umsetzen, sollten sie im Vorfeld die Vor- und Nachteile eines potenziellen Standorts berücksichtigen. So können sie sicherstellen, dass die Effizienz und Qualität der bisherigen Prozesse auch bei einem möglichen Transfer in ein anderes Land erhalten bleiben. Faktoren wie Handelsbarrieren, Arbeitskosten, Infrastruktur, politische Stabilität und der Marktzugang geben Informationen darüber, ob eine (teilweise) Verlagerung des Produktionsstandortes sowohl praktikabel als auch rentabel ist. Länder, die aktuell als vielversprechende „Plus1“-Standorte betrachtet werden, sind unter anderem Vietnam, Indien, Bangladesch oder Mexiko:
Vietnam: Als aufstrebendes Land mit einer schnell wachsenden Wirtschaft steigt die Bedeutung Vietnams für globale Lieferketten. Die geografische Nähe zu China, gezielte Investitionen in die Entwicklung eines Ökosystems für Wissenschaft, Technologie und Innovation sowie ein gerade im Vergleich zu China niedriges Lohnkostenniveau machen das südostasiatische Land für ausländische Unternehmen zunehmend attraktiv. Darüber hinaus bestehen Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung mit mehr als 80 Ländern und Territorien weltweit.
Indien: Das Land verfügt als potenzieller Produktionsstandort über eine wachsende, unternehmensfreundliche Wirtschaft mit einem großen Markt für lokale Produktion und Dienstleistungen. Indien hat gut ausgebildete Arbeitskräfte und die Arbeitskosten sind niedriger als in China, was auch zu geringeren Produktionskosten führen kann. Die Regierung fördert den Ausbau von Produktionsstätten und bietet Anreize und Unterstützung für Investitionen vor Ort. Auch profitiert das Land von seiner Standortnähe zu China.
Bangladesch: Mit einer ebenfalls günstigen geographischen Lage mit Nähe zu Indien, China und anderen südostasiatischen Ländern, geringen Personalkosten und einer schnell wachsenden Wirtschaft kann Bangladesch ein attraktives „Plus 1“ für Unternehmen sein, die ihre Lieferkette diversifizieren möchten. Die Regierung hat verschiedene Maßnahmen ergriffen, um ausländische Investitionen zu fördern und das Geschäftsumfeld im Land zu verbessern. Hierzu zählen beispielsweise Zollbefreiungen oder Steuervergünstigungen. Mehr zum Produktionsstandort Bangladesch erfahren Sie in unserem Länderreport.
Mexiko: Mexiko profitiert von der Nähe zu den USA, dem größten Absatzmarkt der Welt – Warenbewegungen dorthin lassen sich effizient abwickeln. Das Land verfügt über eine wachsende Wirtschaft, Freihandelsabkommen mit zahlreichen Ländern sowie politische Stabilität– dies bietet Unternehmen einen verbesserten Marktzugang und attraktive Geschäftsmöglichkeiten.
Europa: Auch die Rückverlagerung der Produktion auf den europäischen Kontinent spielt bei der Verlagerung und Neuausrichtung von Lieferketten zunehmend eine Rolle. Vor allem osteuropäische Länder wie zum Beispiel Polen bieten im Vergleich zu vielen westeuropäischen Standorten günstige Bedingungen. Zudem hat sich Portugal in den vergangenen Jahren als wettbewerbsfähiger Standort mit einer guten Infrastruktur und einer stabilen politischen Lage etabliert und stellt einen wichtigen Logistik-Hub für die Handelsströme zwischen Europa, Afrika und Amerika dar. Doch liegen die Kosten für Arbeitskräfte und Produktion auch in Portugal deutlich über dem Niveau der asiatischen China+1-Alternativen.
Bei der Auswahl alternativer Produktionsstandorte gilt es auch Nachhaltigkeitsfaktoren zu berücksichtigen. Dazu zählen etwa, wie umweltfreundlich die Produktionsprozesse gestaltet werden, ob soziale Standards eingehalten und Produkte unter ethisch vertretbaren Bedingungen hergestellt werden oder ob in dem Land eine nachhaltige Ressourcennutzung praktiziert wird.
China+1-Strategie in der Praxis
Möchten Unternehmen die China+1-Strategie implementieren, sollten sie planvoll vorgehen: Die ausführliche Analyse und Bewertung des potenziellen Produktionsstandortes ist ein wichtiger erster Schritt. Dabei sollten Arbeitskosten, Infrastruktur, logistische Faktoren, kulturelle Unterschiede und Sprachbarrieren sowie die politische und wirtschaftliche Lage berücksichtigt werden. Auch das Risikomanagement spielt eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der Strategie.
Um eine solide Basis für die Entscheidungsfindung zu schaffen und die Rentabilität zu bewerten, sollte zudem eine detaillierte Analyse der anfallenden Kosten für die Finanzierung und Investitionen in den neuen Standort vorgenommen werden. Gleiches gilt für Fragen zu gesetzlichen und Compliance-Richtlinien – diese sollten vor dem Markteinstieg geklärt werden. Auch erweist sich ein strategisches Lieferantenmanagement als erfolgsentscheidender Faktor der eigenen China+1-Strategie. Weitere wichtige Schritte für die erfolgreiche Verlagerung von Produktionsstandorten sind effektives Vertragsmanagement, die Schulung der Mitarbeitenden sowie der Aufbau von Beziehungen zu Regierungsbehörden und Interessensgruppen.
Herausforderungen mit starken Partnern meistern
Ob Indien, Bangladesch oder Vietnam: Kommt es zu Änderungen in der Lieferkette, ist es bei allen Prozessschritten von großer Hilfe, mit erfahrenen Dienstleistern und Expert*innen vor Ort zusammenzuarbeiten. Um Herausforderungen zu meistern und eine reibungslose Abwicklung der Warenbewegungen zu gewährleisten, können ausländische Unternehmen beispielsweise für den Produktionsstandort Vietnam auf Logistikdienstleister wie Hermes International und SEKO setzen. Im Rahmen einer strategischen Kooperation bieten die beiden Unternehmen ihren Kund*innen zusammen eine umfassende Expertise im internationalen Warenverkehr sowie tiefgehendes regionales Know-how.Für Indien und Bangladesch bestehen ähnliche Partnerschaften.
Neuausrichtung der Lieferkette als fortlaufender Prozess
Der China+1-Ansatz bietet Unternehmen die Möglichkeit, Abhängigkeiten zu lösen und ihre Supply Chain gegenüber Veränderungen und unvorhergesehenen Ereignissen auf dem globalen Markt zu stärken. Die Diversifizierung der Lieferketten wird jedoch kaum dazu führen, dass China als größte Fertigungsbasis der Welt verdrängt wird. Vielmehr setzen Unternehmen mit China+1 eine Strategie um, die ihre Supply Chain mit Investitionen in andere Produktionsstandorte widerstandsfähiger und flexibler gestaltet. Die Neuausrichtung der Lieferkette ist dabei kein einmaliger Prozess, sondern eine kontinuierliche Aufgabe: Globale Marktbestimmungen und Risiken können sich ständig und mitunter plötzlich ändern. Um agil zu bleiben, effizient zu arbeiten und zu wirtschaften sowie schnell auf neue Anforderungen reagieren zu können, sollten Unternehmen daher auf Transparenz setzen und ihre Lieferketten regelmäßig überprüfen und anpassen.
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