Digitalisierung kann entscheidend dazu beitragen, die deutschen Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Zu diesem Schluss kam eine von Accenture durchgeführte Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung“ des Digitalverbandes Bitkom, die an Fallbeispielen in sieben Wirtschaftssektoren den Einfluss verschiedener digitaler Technologien auf das Netto-Einsparpotenzial der CO2e-Emissionen, also der Kohlenstoffdioxidäquivalente als einheitliche Maßeinheit unterschiedlicher Treibhausgase, untersucht hat. Die größten Reduktionspotenziale bieten die Bereiche industrielle Fertigung und Mobilität. Ein entscheidender Hebel ist laut Studie zum Beispiel die Routen- und Frachtoptimierung.
Die selbstgesteckten Klimaziele für Deutschland sehen vor, im Jahr 2030 65 Prozent weniger Emissionen zu erzeugen als 1990. Um das zu erreichen, müssen die jährlichen Emissionen bis zu diesem Zeitpunkt um 372 Megatonnen CO2e reduziert werden. Die Netto-Treibhausgasneutralität soll bereits im Jahr 2045 erreicht werden, fünf Jahre früher als ursprünglich angestrebt.
Klimaziele 2030 erreichen durch digitale Technologien
Wie die Studie zeigt, könnten durch systematische und beschleunigte* Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft im Jahr 2030 bis zu 152 Megatonnen weniger CO2e ausgestoßen werden als bisher. Das entspräche 41 Prozent der angestrebten Einsparungen. Bei gleichbleibend moderatem Digitalisierungstempo läge das Netto-Einsparpotenzial bei nur 103 Megatonnen (28 Prozent).
Untersucht wurden die sieben Sektoren Fertigung, Mobilität, Energie, Gebäude (Smart Homes, Energieeffizienz von Gebäuden), Arbeit und Business sowie Landwirtschaft und Gesundheit.
Eindeutiger Netto-Einspareffekt nachgewiesen
Die Studie berücksichtigt bei den Berechnungen auch den ökologischen Fußabdruck, den digitale Technologien selbst verursachen. Die erzeugten Emissionen wurden gegengerechnet und so der Netto-Klimaeffekt ermittelt.
Nach der Bereinigung blieb das Ergebnis weiterhin eindeutig: der Netto-Einspareffekt beläuft sich im beschleunigten Digitalisierungsszenario auf 34, im moderaten auf 23 Prozent.
Selbst bei intensiver Nutzung digitaler Technologien ist das Einsparpotenzial also wesentlich höher als die Klimaeffekte, welche die Digitalisierung selbst verursacht.
Fertigung und Mobilität haben höchstes Einsparpotenzial
Die größten Potenziale für die Einsparung von Kohlenstoffemissionen wies die Studie im Bereich der industriellen Fertigung und der Mobilität nach – gleich zwei Bereiche, die einen entscheidenden Einfluss auf die Dekarbonisierung von Lieferketten haben.
Die Modellrechnungen zeigen, dass durch smarte Lösungen bei Mobilität und Logistik je nach Szenario acht bis 13 Prozent der heute für das Jahr 2030 erwarteten Emissionen vermieden werden könnten.
Im Bereich Fertigung, für den exemplarisch die Anwendung digitaler Zwillinge und die Automatisierung der Produktion untersucht wurden, kann der prognostizierte CO2e-Ausstoß industrieller Fertigungsprozesse um zehn bis 16 Prozent gesenkt werden.
Digitalisierung der Logistik leistet entscheidenden Beitrag
Durch smarte Logistiklösungen Emissionen eines Unternehmens und seiner Supply Chain zu senken, ist gleichzusetzen mit der Dekarbonisierung des Warentransports. Digitale Technologien im Bereich Logistik erhöhen die Transparenz der Lieferkette und reduzieren die Verkehrsbelastung, so die Studie.
Routen- und Frachtmanagement: Ein entscheidender Hebel sei die Routen- und Frachtoptimierung, bei der smarte Technologien zur Planung, Steuerung und Verteilung von Warenströmen sowie zur optimalen Routenplanung zum Einsatz kommen. Als bedeutendste Digitalisierungstechnologien haben sich dabei unter anderem softwaregestütztes Flottenmanagement, Big-Data-Analytik, Digitale Lagerhäuser und Verkehrsmanagement-Plattformen erwiesen. Im entsprechenden Versuch konnte durch die Nutzung einer Logistikplattform und der damit verbundenen Erhöhung von Effizienz und Transparenz zudem eine Kostenersparnis von 18 Prozent erzielt werden.
Additive Fertigung: Ebenfalls großes Einsparpotenzial hat der Erhebung zufolge die additive Fertigung, welche eine bedarfsgerechte, verschwendungsarme Produktion im 3D-Druckverfahren ermöglicht. Die Senkung der Lohnkosten macht zudem die lokale Fertigung so wirtschaftlich, dass globale Lieferketten verkürzt werden können.
Die beiden Anwendungsbereiche gemeinsam können laut der Berechnungen mit fünf bis acht Megatonnen zur Co2e-Reduktion beitragen.
Potenzial digitaler Technologien in der Fertigung
Ein noch höheres Einsparpotenzial bietet die industrielle Fertigung. Bei moderater Digitalisierung ist eine Reduktion um 37 Megatonnen möglich, im Falle der Beschleunigung sogar 64 Megatonnen.
Zu den wichtigsten Technologien in beiden Bereichen zählt die Studie das industrielle Internet of Things (IoT), Big Data & Cloud Computing und künstliche Intelligenz.
Digitaler Zwilling: 19 bis 33 Megatonnen CO2e-Emmissionen entfallen auf den digitalen Zwilling. So ließen sich durch die Optimierung von Abläufen und Prozessen anhand von digitalen Simulationen fünf bis acht Prozent (19/ 23 Megatonnen) der erwarteten Primärenergieemissionen für Fertigungsprozesse im Jahr 2030 vermeiden.
Automatisierung in der Produktion: Etwa die gleiche Menge an Co2e-Emissionen (18/ 31 Megatonnen) können durch Optimierung von Prozessen und den Einsatz von Automatisierungstechniken vermieden werden. Auf der qualitativen Ebene sorgt Prozessautomatisierung für optimierte Ressourceneffizienz und Produktionsflexibilität.
Digitale Technologien können einen wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung und damit zum Erreichen der deutschen wie auch globalen Klimaziele leisten. Eine beschleunigte Digitalisierung zahlt jedoch nicht nur auf den Umweltschutz ein, sondern erhöht neben einer verbesserten Steuerbarkeit, Prozesseffizienz und Transparenz auch die Resilienz sowie die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.
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