Als eines der wichtigsten Schwellenländer bietet Indien europäischen Unternehmen interessante Geschäftsmöglichkeiten. Für den Eintritt auf den Beschaffungs- und Absatzmarkt braucht es jedoch tiefgehende lokale Expertise: Wir stellen die Besonderheiten der indischen Wirtschaftsstruktur vor und zeigen Ihnen, welche kostenschonenden Zollverfahren sich anbieten.
Inhaltsverzeichnis
Standortvorteil Wirtschaftscluster
Automobil- und Maschinenteile aus Haryana, Textilien und Sportartikel aus Punjab oder Schmuck und Lederprodukte aus Uttar Pradesh: Indiens Wirtschaftsstruktur zeichnet sich durch industrielle Regionalcluster aus, in denen sich branchengleiche Produzenten, Zulieferer und weitere zugehörige Einrichtungen angesiedelt haben. Mit der über das riesige Land verteilten Clusterbildung verfolgt Indien das Ziel, die industrielle Wertschöpfung zu optimieren und sich im Rahmen internationaler Supply Chains als alternativer Beschaffungsmarkt zu etablieren. Eine leistungsstarke Industrie wird von der lokalen Regierung als Basis für mehr Wohlstand sowie ausreichend Arbeit für die junge wachsende Bevölkerung mit einem Durchschnittsalter von 28,4 Jahren gesehen.
Zwar verzeichnete Indien 2020 einen pandemiebedingten Exportrückgang – dennoch wurden Waren im Wert von rund 276 Milliarden US-Dollar exportiert (zum Vergleich: 2019 lag das Volumen bei 324,34 Milliarden). Für das Jahr 2022 sagt der Internationale Währungsfond ein Wachstumsplus in Höhe von 11,5 Prozent voraus.
Indiens Regionalcluster: Wettbewerbsvorteile für ausländische Unternehmen
Mit der strategischen Ballung von Branchen wie Maschinenbau, Automobil oder Chemie soll die lokale Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit gehoben werden. Die gebündelten Fertigungsstandorte sind gemeinhin leichter zugänglich, verfügen über entwickelte Transportinfrastrukturen und weisen eine Nähe zu Ressourcen, Technologien und Gütern für die verarbeitende Industrie auf. Die Co-Präsenz zahlreicher Unternehmen eines Industriezweiges sorgt zudem für eine höhere Konzentration von qualifiziertem Personal an einem Ort. So wird die Herstellung hochwertiger oder technologisch fortschrittlicher Waren für den inländischen und internationalen Markt ermöglicht. Ist Indien der erklärte Absatzmarkt, kann in direkter Nähe zu lokalen Kunden bzw. zur lokalen Wertschöpfungskette produziert werden.
Wer in den Wirtschaftszentren langfristige Geschäftsbeziehungen aufbaut und gezielte Investitionen in die lokale Fertigung tätigt, unterstützt zudem das Streben nach mehr Nachhaltigkeit sowie die Einhaltung und Umsetzung westlicher Anforderungen, die beispielsweise hiesige Lieferkettengesetze vorgeben.
Produktionsstandort Indien: Zoll- und Steuererleichterungen in Sonderwirtschaftszonen
Ein Großteil der indischen Industriecluster befindet sich innerhalb von eigens eingerichteten Sonderwirtschaftszonen (SWZ): Diese Zonen zählen nicht zum indischen Zoll- und Steuergebiet und sollen ausländische Unternehmen durch finanzielle Anreize zur Aufnahme und Intensivierung von Geschäftstätigkeiten in Indien anregen. Unternehmen dürfen hier produzieren sowie Dienstleistungstätigkeiten verrichten und profitieren dabei von kapitalschonenden Zollverfahren. So dürfen zum Beispiel Vorprodukte aus dem Zollausland abgabenfrei in die Zonen gebracht werden, Lieferungen aus dem indischen Zollgebiet sind steuerfrei. Zudem werden Steuererleichterungen wie die Befreiung der Körperschaftssteuer auf Exportgewinne gewährt. Der Verkauf von Produkten auf den Inlandsmarkt ist nach Zahlung von Zollgebühren möglich. Eine aktuelle Übersicht der mehr als 300 gemeldeten Sonderwirtschaftszonen steht auf der Website des indischen Ministeriums für Handel und Industrie zur Verfügung.Beschaffungsmarkt Indien: Handels- und Lagerfreizonen für den internationalen Warenhandel
Die finanziellen Vergünstigungen gelten auch innerhalb der von der indischen Regierung definierten „Free Trade and Warehousing Zones” (FTZ), die eine Unterform der Sonderwirtschaftszonen darstellen und deren Gesetzen und Regelungen unterliegen. Durch die Errichtung dieser Handels- und Lagerfreizonen in der Nähe von großen See- und Flughäfen soll der internationale Warenhandel weiterhin begünstigt und vereinfacht werden. Für in- und ausländische Unternehmen ist in diesen Handelszentren keine gesonderte Registrierung notwendig, Handelsgeschäfte sind in Fremdwährung erlaubt sowie Zollabfertigungen schneller möglich. Weitere Vorteile ergeben sich aus der Zollstundung für importierte Waren, der Handelskonformität nach Eintreffen der Fracht und dem Umstand, dass in den FTZ die Lagerung, Verpackung und Etikettierung von Waren zulässig ist.Domestic Tariff Areas für Inlandsgeschäfte in Indien
Unternehmen mit Fokus auf den Inlandsmarkt sollten hingegen in sogenannten Domestic Tariff Areas (DTA) passender Wirtschaftscluster ansiedeln – also in speziellen Industriezonen oder -parks, die zum Inlandstarifgebiet zählen. DTA-Einheiten dürfen auch exportieren und die Vorteile der Außenhandelspolitik in Anspruch nehmen. Der Verkauf aus diesen Zonen an Betriebe in Sonderwirtschaftszonen wird dabei als vorgesehene Ausfuhr eingestuft.Digitaler Wandel der indischen Zollverwaltung
Die indische Regierung setzt konsequent auf neue Technologien, um die Zollverwaltung zu modernisieren. Ein Beispiel dafür ist die indische Zollplattform ICEGATE, die dem Handel, Frachtführern und anderen Handelspartner*innen E-Filing-Dienste auf elektronischem Wege bietet. Auch wurde eine Single-Window-Schnittstelle eingerichtet, die den Kontakt zu den mit Im- und Export von Waren befassten Behörden erleichtert. Mit dem 2021 gelaunchten National Single Window System (NSWS) hat die indische Regierung internationale Geschäftsbeziehungen weiterhin erleichtert: Über die Plattform werden langwierige bürokratische Verfahren zentralisiert. Wofür früher mehrere Behördengänge nötig waren, lassen sich heute Registrierungen, Lizenzen und Genehmigungen für die Aufnahme einer Geschäftstätigkeit remote beantragen – mit Effizienzgewinnen für Investoren, Unternehmen und Startups. Wenngleich der Markteintritt sowie die Ein- und Ausfuhr von Waren durch den digitalen Wandel erleichtert werden, sind lokales Know-how sowie verlässliche Dienstleister*innen vor Ort nach wie vor unerlässlich. Hermes International, unterstützt interessierte Unternehmen dank einer strategischen Partnerschaft mit dem indischen Marktführer Jeena optimal bei dem Markteinstieg sowie bei der Cross-Border Logistik oder der Zollabwicklung vor Ort. Gemeinsam bieten Hermes und Jeena eine umfassende Expertise im internationalen Warenverkehr sowie tiefgehendes regionales Knowhow.Weitere Beiträge
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Nordindien: Indiens Vorzeigecluster mit großer Wirtschaftskraft
Gut ausgebaute Infrastrukturen für eine reibungslose Produktion und Warenbeschaffung finden ausländische Unternehmen insbesondere in Nordindien vor. Das große Industriecluster mit Neu-Delhi als Drehscheibe umfasst insgesamt acht Bundesstaaten und trägt 18 Prozent zur gesamtindischen Wirtschaft bei. Fünf der nordindischen Bundesstaaten – Uttar Pradesh, Rajasthan, Haryana und Punjab sowie das Unionsterritorium Dheli – zählen zu den 15 landesweit wichtigsten Regionen, die einen großen Beitrag zur Wirtschaft des Landes beitragen. Insgesamt liegt der Anteil Nordindiens an der gesamtindischen Produktion in den Segmenten Computer, Elektronik und Optik bei mehr als 35 Prozent, in den Bereichen Kraftfahrzeuge und Transportausrüstung bei mehr als 27 Prozent sowie im Segment Elektroausrüstung bei über 28 Prozent.
Industriepolitische Maßnahmen wie etwa die gezielte Investitionen in die weitere regionale Entwicklung oder ein verstärkter Fokus auf eine ausgewogene und nachhaltige Produktion, die in den vergangenen Jahren in einzelnen Bundesländern eingeführt wurden, sollen den anhaltenden Erfolg des großen Clusters sicherstellen. Vorrangiges Ziel ist es, der Bevölkerung durch eine stabile Wirtschaft eine sichere Existenzgrundlage zu bieten.
Vorreiter bei Logistikleistung und Zollabwicklung
Das nordindische Cluster bietet europäischen Unternehmen auch Vorteile beim Warentransport: Haryana und Punjab belegen im Hinblick auf die Mobilität von Gütern und die Effizienz innerhalb der Logistikkette Platz zwei und drei der leistungsstärksten Bundesstaaten in Nordindien. Dies geht aus der dritten Ausgabe des von der Regierung erstellten Rankings der Bundesstaaten auf der Grundlage der Logistikinfrastruktur hervor.
Die Vorreiterstellung bei der Logistikleistung begründet sich auch in der Anzahl der Zollstationen: In Nordindien gibt es insgesamt 67 Zollstationen, über die Waren abgefertigt werden können: Davon befinden sich beispielsweise drei in Delhi und 13 in Harayana sowie 21 Stationen in Uttar Pradesh und 10 in Rajasthan.
Zukunftsmarkt Indien: Potenzial mit erfahrenen Partner*innen heben
Indien hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von Reformen eingeleitet, um sich als attraktiver Beschaffungs- und Absatzmarkt zu etablieren. Durch die Schaffung von regionalen Industrieclustern, Sonderwirtschaftszonen sowie Handels- und Lagerfreizonen wurde der Marktzugang für internationale Geschäftskunden vereinfacht. Unternehmen profitieren von verschiedenen Standortvorteilen wie höherer Produktivität, qualifiziertem Personal, Ressourcenvielfalt und nicht zuletzt Zoll- und Steuerersparnissen.
Europäische Geschäftsleute sollten bei der Standortwahl strategisch vorgehen und detailliertes Wissen darüber aufbauen, wo welche Waren produziert werden. Da Regionen in ihrer Entwicklung und Wirtschaftleistung mitunter noch stark variieren, gilt es genau zu ermitteln, wo das größte Potenzial für das eigene Business liegt – beispielsweise in Nordindien.
Um das dortige Potenzial zu heben und möglichen Herausforderungen vorausschauend zu begegnen, ist die Zusammenarbeit mit erfahrenen und verlässlichen Partner*innen vor Ort erfolgsentscheidend. Durch die Zugehörigkeit von Hermes zur OTTO-Gruppe und deren E-Commerce-Geschäft verfügt die Kooperation von Jeena und Hermes über etablierte Strukturen, auf die sich die Kund*innen in ganz Indien verlassen können – insbesondere in den Bereichen 3PL wie Warehousing, Qualitätsprüfungen sowie entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Logistik und bei der Abwicklung mit Einkäufer*innen und Verladern.