Um die Widerstandsfähigkeit ihrer Supply Chain zu erhöhen, Abhängigkeiten zu lösen und die Störanfälligkeit zu reduzieren, streben deutsche und europäische Unternehmen zunehmend nach einer Diversifizierung ihres Lieferantennetzwerkes und suchen nach neuen, alternativen Lieferquellen. Warum Vietnam eine vielversprechende Perspektive bietet und wie der Markteintritt gelingen kann, haben wir in den Beiträgen Produktionsstandort Vietnam und Vietnam im Überblick – Aufstiegsmarkt in Südostasien erläutert. In einem gemeinsamen Interview beleuchten nun Adrian Biasi, Head of Commercial bei SEKO Logistics Vietnam und Ralf Boelicke, Head of Strategic Sales bei Hermes International, vor welchen Herausforderungen Unternehmen beim Markteinstieg stehen und wie die beiden erfahrenen Dienstleister durch ihre strategische Partnerschaft beim Aufbau von Logistik und Supply Chain Management durch Beratung und Umsetzung unterstützen können.
Wettbewerbsfähige Kosten, Investitionsförderungen und Freihandelsabkommen machen Vietnam zu einem idealen Standort für ausländische Unternehmen. Welche weiteren Vorteile bringt es ihnen, Vietnam zum Beispiel im Rahmen einer China+1-Strategie für eine (teilweise) Produktionsverlagerung in Betracht zu ziehen?
Adrian Biasi: Vietnam investiert gezielt in die Entwicklung eines modernen Ökosystems für Wissenschaft, Technologie und Innovation. Dabei ist das asiatische Land mit seiner 3.000 km langen, offenen Küste nicht nur als Ausgangspunkt für den Welthandel strategisch ausgezeichnet gelegen, sondern auch durch seine geografische Nähe zu China attraktiv. Handel und Beschaffung zwischen beiden Ländern florieren und besonders der Norden Vietnams profitiert mit Hanoi und Umgebung von der Grenznähe. Dies bietet auch westlichen Unternehmen, die ihre Produktion verlagern, die Lieferkette erweitern oder Rohstoffe aus China beziehen möchten, klare Vorteile.
Auch wirtschaftspolitisch möchte sich Vietnam möglichst offen positionieren, zum Beispiel existiert ein Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung mit mehr als 80 Ländern und Territorien weltweit. Im Rahmen der nationalen Kompetenzentwicklung wird zudem eine immer fundiertere Qualifizierung der jungen Arbeitskräfte im Land angestrebt, die in großer Zahl vorhanden sind.
Ralf Boelicke: Vietnam ist als aufstrebendes Land für die globale Lieferkette ein Standort mit stark wachsender Bedeutung. Die lokale Produktionslandschaft hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt – immer mehr moderne Fertigungsstätten stellen sich auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Unternehmen ein.
Dennoch sind mit diesem Standort nach wie vor einige Herausforderungen verbunden – im Bereich Logistik ist für eine reibungslose Abwicklung etwa lokales Know-how immens wichtig. Ausländische Unternehmen können hier stark von strategischen Partnerschaften erfahrener Dienstleister profitieren, die zusammen tiefgehendes regionales Know-how und eine umfassende Expertise im internationalen Warenverkehr bieten.
Welche organisatorischen und logistischen Herausforderungen sind das zum Beispiel?
Adrian Biasi: Unternehmen müssen beim Eintritt in den vietnamesischen Markt oder bei der Gründung eines Unternehmens in Vietnam beispielsweise berücksichtigen, dass bestimmte Lizenzen, Genehmigungen, rechtliche Prüfungen und Angaben zu Budget- und Kostenplanungen zu erbringen sind. Zudem gilt es, den idealen Standort zu identifizieren – der Norden und der Süden sind nach unterschiedlichen Kriterien attraktiv. Zentralvietnam bietet besonders kostengünstige Möglichkeiten, jedoch nicht für alle Branchen.
Die größte Herausforderung ist die Infrastruktur, die sich in den Bereichen Handel, Transport und Informationstechnologie noch im Wandel befindet und einer weiteren Vernetzung und Vereinheitlichung bedarf. Im Vergleich zu bereits etablierten und über jahrzehntelang gewachsenen Märkten ist der vietnamesische Markt insgesamt noch in einem Stadium der Entwicklung – diese allerdings schreitet rasant voran.
Zwar konnte die Verkehrsinfrastruktur in den vergangenen Jahren erheblich verbessert und Logistikkosten gesenkt werden, dennoch sind sie noch höher als in anderen Ländern wie Thailand, China und Malaysia. Auch der Bau von Lagerhäusern und Depots befindet sich noch in einem frühen Stadium. Für eine hohe Effizienz der zukünftigen Abläufe ist es deshalb strategisch sehr bedeutsam, von Beginn an planvoll und gezielt vorzugehen.
Ralf Boelicke: Obwohl Vietnam in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat, befindet sich das Straßen- sowie Schienennetz noch im Aufbau. Insbesondere in ländlichen Gebieten kann der Transport von Gütern zeitaufwändig sein, Logistikeinrichtungen wie Lagerhäuser und Vertriebszentren befinden sich nicht selten an abgelegenen Orten, weit entfernt von Häfen und Produktionszentren. Doch sollten diese Herausforderungen Unternehmen nicht davon abhalten, als Vorreiter in diesen zukunftsträchtigen Markt zu investieren. Schließlich fördert das Engagement ausländischer Unternehmen den weiteren Ausbau und die bisherigen Hemmnisse sind mit erfahrenen Partnern vor Ort gut zu bewältigen. Wir setzen für unsere Kunden auf die Zusammenarbeit mit SEKO und werden damit den Anforderungen vor Ort vollends gerecht.
Wie kann SEKO als lokaler Dienstleister dabei unterstützen, erfolgreich in Vietnam Fuß zu fassen?
Adrian Biasi: SEKO verfügt über ein regionales Netzwerk eigener Niederlassungen im Asiatisch-pazifischen Raum (APAC), dazu zählt eine nationale Präsenz in Vietnam. Zudem können wir auf umfassende Kapazitäten in den Bereichen Kontraktlogistik, internationale Speditionsdienste und Zollabwicklung zurückgreifen – unsere Kunden profitieren u.a. von mehr als 200.000 Quadratmetern Waren- und Zolllagerflächen, spezialisierten Container-Fracht-Stationen und einer ausgereiften Kühlkettenlogistik. Für den Transport stehen über 200 eigene Lkw mit 400 Chassis zur Verfügung, die alle wichtigen See- und Flughäfen in Vietnam verbinden. Mit unserem Spezialisten-Team stehen wir Unternehmen mit Fachwissen zur Seite. Durch unser vielfältiges Kundenportfolio, das die wichtigsten Industrien in Vietnam abdeckt, sind unsere Erfahrungen auf dem Markt umfang- und facettenreich.
Ralf Boelicke: Unerwartete Herausforderungen vor Ort können ohne entsprechendes Know-how mitunter viel schwerer zu bewältigen sein. Ein erfahrener Partner leistet in diesen Situationen wertvolle Unterstützung und trägt dazu bei, dass die Warenbewegungen reibungslos und effizient ablaufen. Mit SEKO haben wir einen starken Kooperationspartner in Vietnam, der über eigene Transportkapazitäten verfügt sowie mit Kultur, Gepflogenheiten und rechtlichen Anforderungen vertraut ist.
Zu dieser umfassenden Expertise, langjährigen Erfahrung und lokalen Marktkenntnissen kommt der Stamm an exzellenten Mitarbeiter*innen. Das ist keine Selbstverständlichkeit: Es gibt zwar eine Vielzahl an Arbeitskräften in Vietnam, doch besteht zurzeit noch ein Mangel an Fachkräften mit Erfahrung im Logistikumfeld und im Supply-Chain-Management. Dies kann bei der Organisation und Überwachung der Lieferkette sehr herausfordernd sein. Ein Partner mit gut ausgebildeten Experten hat daher großen Wert.
Auf welche Weise profitieren Geschäftskunden von der Partnerschaft zwischen SEKO und Hermes? Und wie unterstützt Hermes International seine Kund*innen organisatorisch und technologisch bei den Warenbewegungen von und nach Vietnam?
Ralf Boelicke: Um den Markteinstieg effizient und erfolgreich zu gestalten, ist neben guter logistischer Planung auch von Beginn an ein smartes Supply Chain Management zu empfehlen. Gemeinsam mit SEKO bieten wir unseren Kunden eine sichere Organisation und sorgen außerdem für die lückenlose Überwachung der Supply Chain. Das gelingt durch die Einführung eines SCM-Tools, welches eine vollständige Transparenz der Warenbewegungen sowie eine optimale Planung von Supply Chain-Prozessen ermöglicht.
Durch die strategische Partnerschaft ist Hermes auch ohne eigene Standorte vor Ort stets in Kundennähe. Gemeinsam können wir kundenindividuelle Logistiklösungen über die komplette Transportkette anbieten und bei Bedarf versiert zu Optimierungspotentialen beraten. Dazu trägt unser umfassendes Know-how für den internationalen Warentransport per Luftfracht oder Seefracht von und nach Vietnam sowie unsere Expertise im Bereich Lagerung und Kommissionierung bei.
Adrian Biasi: Die Kunden profitieren zudem von unserer Erfahrung mit den vietnamesischen Aus- und Einfuhrbestimmungen. Die Zollpolitik ist nach wie vor streng und erfolgt bei einigen Prozessen noch manuell, was ohne Fachwissen ein Hemmnis sein kann. Eingehende Waren sind zum Beispiel grundsätzlich im Vorfeld beim Zoll summarisch anzumelden, je nach gewähltem Transportmittel gelten hierbei unterschiedliche Fristen. Dazu kommen uneinheitliche Frachtkontrollverfahren in Häfen und Flughäfen.
Ralf Boelicke: SEKO kennt die Bestimmungen und Hürden sehr gut und kann so unsere Beratung auf ein gutes Fundament stellen. Mit unserem spezialisierten Zollteam unterstützen wir Kunden bei der Erstellung von Versandpapieren und Zollerklärungen und runden damit unseren Service in Sachen Logistik und Supply Chain Management für Warenbewegungen zwischen Deutschland und Vietnam ab. Insgesamt können wir sagen, dass unsere Partnerschaft ein Gesamtpaket an Beratung und Umsetzung bietet, welches sehr erfolgreich zum Gelingen des Markteinstiegs in Vietnam beitragen kann.
Herr Biasi und Herr Boelicke, wir bedanken uns für das Gespräch.
Sie möchten mehr über die Chancen und Herausforderungen des vietnamesischen Marktes erfahren? Hier geht es zu den ersten beiden Beiträgen unserer Vietnam-Reihe:
Produktionsstandort Vietnam: Lokales Know-how für den Markteinstieg