Volatile und globalisierte Marktumfelder fordern insbesondere Logistik und Supply Chain Management heraus: Erfolg oder Misserfolg sind abhängig von vielen interdependenten Faktoren. Entsprechend schnell richten auch kurzfristige Abweichungen und Störfälle größeren Schaden an und verursachen eine Reihe von „Feuerwehreinsätzen“ zur Einhaltung der Liefertermine. Künstliche Intelligenz hilft Unternehmen, ihre Lieferkette vorausschauend zu managen. Entsprechend wird das Thema für die Branche immer wichtiger, das zeigt auch eine aktuelle Umfrage des Softwareunternehmens INFORM.
Unternehmen sehen sich heute mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert:
- Eine zunehmend globale Verflechtung der Lieferketten,
- verkürzte Produktlebenszyklen,
- und individualisierte Kundenwünsche
erschweren die Koordination und erhöhen zugleich den Zeitdruck, der auf den Marktteilnehmern lastet. Es wird immer schwieriger, zuverlässige Absatzprognosen zu erstellen und Ressourcen vorausschauend zu allokieren. Wer wettbewerbsfähig bleiben möchte, muss dennoch schnell und überlegt zugleich auf Marktentwicklungen reagieren können. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Planung und Marktimpulsen zu überwinden, ist Aufgabe des Supply Chain Managements. Damit ein Unternehmen als Ganzes wirtschaftlich arbeiten kann, ist von Beschaffung bis Verkauf jedes Glied der Prozesskette entscheidend. Angesichts der zunehmenden Komplexität gerät das menschliche Leistungsvermögen jedoch häufig an seine Grenzen.
Wie gelingt es Unternehmen trotzdem, ihre Supply Chain effizient auszurichten und sich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen?
Zur Beantwortung dieser Frage kommt die Idee der agilen Optimierung durch intelligente Algorithmen ins Spiel: Neue Prognoseverfahren auf Basis künstlicher Entscheidungsintelligenz scannen alle situativ relevanten Variablen und leiten daraus konkrete Handlungsvorschläge für die jeweilige Situation ab. Dies versetzt Planer in die Lage, auch angesichts unübersichtlicher Situationen souverän zu agieren und die jeweils bestmögliche Entscheidung zu treffen.
Zugleich kann ein entsprechendes KI-gestütztes System durch die menschliche Expertise ergänzt oder sogar übersteuert werden. Wie schon der Begriff des „Machine Learning“ als Form künstlicher Intelligenz beschreibt, sind moderne Algorithmen lernfähig und nehmen zur Kenntnis, wenn der Mensch eine bessere Entscheidung getroffen hat. Menschliche und künstliche Intelligenz ergänzen einander und meistern die Entscheidungssituation so in optimaler Weise.
Inhaltsverzeichnis
Fehlendes Knowhow bremst KI-Einsatz
Wie eine aktuelle Umfrage von INFORM zeigt, ist sich die Logistik des praktischen Potenzials solcher Anwendungen bewusst. 123 Mitarbeiter und Führungskräfte verschiedener logistischer Disziplinen berichteten in der Befragung, wie es um den KI-Einsatz in ihren Logistik-Prozessen bestellt ist. Dabei zeigt sich, dass weniger als ein Drittel bereits entsprechende Technologien einsetzt. Dies liegt vor allem an mangelndem Anwenderwissen, wie mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer zu Protokoll gibt.
Zugleich nehmen die Befragten KI als relevantes Zukunftsthema wahr und versprechen sich von einschlägigen Investitionen eine verbesserte Marktposition. An vielen Stellen der Wertschöpfungskette sehen sie sinnige Einsatzmöglichkeiten. Konkrete Best Practices dürften weitere Anwender ermutigen, KI in ihre Abläufe zu integrieren.
KI in der Praxis
Ein Unternehmen, das in seinem Supply Chain Management bereits heute auf KI setzt, ist BABOR. Das Aachener Familienunternehmen hat sich als Hersteller von Premium-Hautpflegeprodukten weltweit einen Namen gemacht.
Die Produktionsbedingungen bei BABOR implizieren einige Herausforderungen: So können zum Beispiel einige der natürlichen Rohstoffe nur zu bestimmten Zeiten geerntet werden. Zudem haben sowohl die Rohstoffe als auch die Endprodukte eine begrenzte Haltbarkeit. Die Anforderungen des dynamischen Kosmetik-Markts erfordern jedoch, dass immer schnell auf eine wechselhafte Nachfrage reagiert und dem Kundenwunsch nach regelmäßigen Produktinnovationen gerecht wird. Für den Hersteller bedeutet dies, mit seinen Materialverfügbarkeiten und Maschinenkapazitäten extrem transparent und flexibel planen zu müssen.
Lange Zeit nutzte BABOR hierfür ein ERP-System. Diese Strategie stieß mit steigendem Unternehmenswachstum irgendwann an ihre Grenzen. Abweichungen und Lieferengpässe konnten nicht länger zuverlässig vorhergesehen und verhindert werden. Die Planungsverantwortlichen suchten daher nach einem System, das intelligente Handlungsvorschläge zur Optimierung der Prozesse liefern konnte.
Heute setzen sie auf agil optimierende Prognosesysteme von INFORM. Ihre Algorithmen sind in der Lage, die Abläufe intelligent und vor allem ganzheitlich aufeinander abgestimmt zu koordinieren. Innovative Ansätze wie die simultane Planung des Produktionsprogramms sind nun möglich: Hinsichtlich der Bestimmung von Losgrößen zum Beispiel berücksichtigen sie gleichzeitig kapazitive Machbarkeit und Warenverfügbarkeit gegen begrenzte Ressourcen. Sie fassen die normalerweise sukzessiven Schritte Materialbedarfs- und Losgrößenplanung, Durchlaufterminierung und Kapazitätsausgleich zusammen. So generiert KI kostenoptimale und machbare Fertigungslose.
KI für den Mittelstand
Wie das Beispiel zeigt, profitieren nicht nur große Unternehmen von künstlicher Entscheidungsintelligenz. Gerade in mittelständischen Strukturen dominiert häufig eine gewisse Hands-on-Mentalität. Dies birgt zwar Vorteile, oft fehlt für fundierte Entscheidungen jedoch ein hinreichendes Datenfundament. Mit Blick auf die Absatzplanung kann dies beispielsweise in überhöhten Umsatzerwartungen enden, die zu Überproduktion führen. Künstliche Entscheidungsintelligenz verspricht hier Planungssicherheit. Sie versetzt Unternehmen in die Lage, stetig komplexer werdende Lieferketten und wachsende Produktportfolio effizient zu managen.
Wie Algorithmen Planungssicherheit schaffen
Am Markt kommen algorithmische Optimierungssysteme mittlerweile auch in der Absatzplanung zum Einsatz. Dort ermöglichen sie besonders zuverlässige Prognosen über den zukünftigen Verkauf von Produkten, indem sie Vergangenheitsdaten sowie weitere entscheidungskritische Informationen, zum Beispiel Wetterdaten, berücksichtigen. Sie greifen auf eine Vielzahl an Berechnungsverfahren zurück und sind in der Lage, stets das situativ beste auszuwählen. Das besondere an diesen Systemen: Die Interaktion mit dem Disponenten gewährleistet, dass schließlich alle relevanten Parameter in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Die so gesteigerte Prognosequalität kann dann auch das Bestandsmanagement verbessern: Auch bei geringerem Bestandsniveau ist eine maximale Verfügbarkeit möglich.
Entsprechende Optimierungssysteme visualisieren den festgestellten Handlungsbedarf so, dass für den Planer schnell ersichtlich wird, was in optimaler Weise zu tun ist. Das ist wichtig, denn am Ende entscheidet immer der Mensch: So geben die Algorithmen zwar ganz konkrete Empfehlungen, welchen Schritt der Mitarbeiter am besten als nächstes erledigen sollte, letztlich liegt es aber am menschlichen Urteilsvermögen, zu entscheiden, was tatsächlich getan wird.
KI macht Logistik zukunftsfähig
Um auch angesichts komplexer Marktbedingungen richtige Entscheidung zu treffen, muss letztlich die Performance des Gesamtprozesses stärker in den Fokus rücken. Künstliche Entscheidungsintelligenz kann Unternehmen helfen, ihre Supply Chain integriert zu planen und unter Zeitdruck eine gute Planungsqualität zu realisieren. Die Logistik-Branche weiß um dieses Potenzial, sieht sich jedoch durch mangelndes Anwenderwissen gehemmt. Dieses Defizit müssen Marktteilnehmer überwinden, um perspektivisch wettbewerbsfähig zu bleiben. Praxisbeispiele bieten potenziellen Anwendern Orientierung und können ihnen dabei helfen, ihr Lieferkettenmanagement für zukünftige Herausforderungen zu rüsten.
Die INFORM-Studie „Künstliche Intelligenz – Zukunftsträger der Logistik?“ finden Sie hier zur kostenfreien Einsicht.
Zum Autor
Peter Frerichs ist Geschäftsbereichsleiter Inventory & Supply Chain und Mitglied der Geschäftsleitung bei INFORM. Das Aachener Softwarehaus hat sich auf entscheidungsintelligente Algorithmen spezialisiert, die Geschäftsprozesse optimieren. Peter Frerichs ist für den kontinuierlichen Ausbau seiner Business Unit in Deutschland sowie international verantwortlich und leitet die strategische Weiterentwicklung der Produkte im Bereich Supply Chain Management.