Der Frachtraum ist gebucht, die Rate vereinbart. Dennoch erfordern die Dynamik der Märkte und unvorhergesehene Ereignisse oder Nachfrageschwankungen eine fortlaufende Anpassung oder Neubewertung der Frachtallokation, um Dead Freight und mögliche Strafzahlungen zu vermeiden. Wie also lassen sich Transportbuchungen unter Berücksichtigung eigener Anforderungen und vertraglicher Vereinbarungen mit Carriern bestmöglich steuern? Antwort darauf gibt Ralf Boelicke, Head of Product und Partnermanagement bei SupplyX, in unserem Q&A.
Inhaltsverzeichnis
Was genau bedeutet Carrier Allocation, welche Ziele werden verfolgt?
Ralf Boelicke: Carrier Allocation – auch Frachtraumzuteilung – ist in der Regel ein komplexer zeitaufwändiger und manueller Prozess, der die Zuweisung und Buchung von Frachtkapazitäten bei verschiedenen Transportunternehmen (den Carriern) umfasst. Ziel ist dabei, die zur Verfügung stehenden Kapazitäten und Ressourcen optimal zur Erfüllung der Kundenanforderungen auszunutzen. Es geht also darum, das Versandvolumen von Gütern so mit den verfügbaren Kapazitäten des Carriers abzustimmen, dass eine hohe Auslastung und eine optimale Kosten-Nutzen-Relation erreicht werden.
Durch vertraglich vereinbarte Abnahmemengen versuchen Unternehmen, garantierte Kapazitäten zu bestimmten Konditionen sicherzustellen. Diese Verträge können sowohl feste Abnahmemengen beinhalten, die innerhalb eines zeitlich definierten Rahmens auf einer bestimmten Strecke transportiert werden müssen, als auch flexible Bestandteile, die bei Nachfrageschwankungen entsprechend angepasst werden können. Unternehmen sind also durch eine strategische Carrier Allocation imstande, die Resilienz ihrer Lieferkette zu erhöhen, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, Kosten zu reduzieren und die Transporteffizienz zu steigern.
Warum ist Carrier Allocation so zeitaufwändig, worin liegen die Herausforderungen?
Ralf Boelicke: Moderne Lieferketten sind global und multifaktoriell – die Komplexität und der Zeitaufwand der Carrier Allocation resultieren unter anderem aus den vielschichtigen Anforderungen des Supply Chain Managements (SCM). Die Koordination einer Vielzahl von Akteuren, Routen und Produkten muss präzise abgestimmt werden, und das unter Berücksichtigung von Zeitfenstern und -zonen, Kapazitäten und Kosten. Gleichzeitig liegen die Herausforderungen bei der Carrier Allocation unter anderem in der Natur des volatilen Versandmarktes. Saisonale Schwankungen, Hafenüberlastungen, Unwetter sowie geopolitische Spannungen, aber auch Zollbestimmungen und plötzliche Veränderungen im Verbraucherverhalten – all diese Faktoren können die Frachtallokation beeinflussen und erfordern eine flexible und reaktionsfähige Logistikstrategie.
Das Monitoring und die Anpassung von Buchungen in Echtzeit sind daher wesentliche, aber zeitaufwändige Aktivitäten. Denn: Transportverträge beinhalten häufig komplexe Vereinbarungen über Frachtraten, Service Level Agreements (SLAs) und Strafregelungen bei Nichterfüllung. Bei Über- oder Unterschreitung der vereinbarten Abnahmemengen kann es beispielsweise zu Auf- oder Abschlägen (Strafzahlungen oder Dead Freight) auf die Rate kommen – auch rückwirkend – oder sogar dazu, dass die Rate oder die Transportkapazität überhaupt nicht mehr angeboten werden.
Was passiert, wenn die eigenen Anforderungen an Lieferzeit, -mengen und Co. sich ändern und mit den vertraglichen Vereinbarungen mit Carriern kollidieren?
Ralf Boelicke: Derartige Änderungen können eine Reihe von Konsequenzen nach sich ziehen, die ein sorgfältiges Management erfordern. Neben den schon erwähnten Strafzahlungen etwa bei Unterschreitung der vereinbarten Abnahmemenge gibt es auch die Möglichkeit, dass Unternehmen auf den sogenannten Spotmarkt zugreifen müssen, um zusätzliche Kapazitäten zu akquirieren oder überschüssigen Frachtraum zu reduzieren. Die Raten auf dem Spotmarkt sind jedoch deutlich volatiler und fallen daher in der Regel höher aus als die vertraglich vereinbarten – kurzfristige Buchungen sind somit mit höheren Kosten verbunden. Auch Swaps, also Kompensationsgeschäfte mit anderen Unternehmen, können entlasten: Hierbei wird Frachtraum getauscht, um den eigenen Bedarf zu decken und die Auslastung und Effizienz zu maximieren.
Unternehmen können auch Nachverhandlungen mit den Carriern anstreben, um die veränderten Bedingungen zu reflektieren und neue Verträge über Frachtraten, Fristen und Abnahmemengen zu vereinbaren. Dies kann jedoch eine Veränderung der SLAs nach sich ziehen: Beispielsweise könnte ein Wechsel von einem Premium-Service mit garantierter Lieferzeit zu einem Standard-Service mit einem flexibleren Lieferzeitfenster die Konsequenz sein.
Wie können Plattformlösungen und Tools zu mehr Agilität bei Transportbuchungen beitragen, ohne vertragliche Vereinbarungen zu verletzen?
Ralf Boelicke: Digitale Technologien und Plattformlösungen bieten viele Möglichkeiten zur Reduktion dieses Spannungsfeldes. Mit Echtzeit-Datenanalyse und dynamischer Preisgestaltung ermöglichen moderne Tools eine flexible und reaktionsfähige Gestaltung des Frachtmanagements. Durch die Integration von ERP- und WMS-Systemen, den Einsatz von KI zur Vorhersage von Prognosen sowie den Zugang zu digitalen Marktplätzen kann die Supply Chain effizient und datengestützt gesteuert und kontrolliert werden.
Cloudbasierte Plattformen, API-Ökosysteme und Blockchain tragen dazu bei, das Vertragsmanagement zu vereinfachen und die Transparenz von Transaktionen zu erhöhen. Darüber hinaus gibt es Tools, die überprüfen, ob Transportbuchungen im Einklang mit vertraglichen Vereinbarungen stehen, und bei Abweichungen Warnungen ausgeben.
Wie unterstützt SupplyX die Unternehmen im Bereich Carrier Allocation?
Ralf Boelicke: Mit unserer langjährigen Expertise im SCM und Freight Forwarding fungieren wir als intermediäre Operatoren, um die Komplexität der Carrier Allocation für unsere Kund*innen zu steuern. Das beinhaltet die Koordination des Transports inklusive Auswahl und Buchung von Frachtführern, der Verhandlung von Frachtraten sowie der Sicherstellung der Compliance mit internationalen Handelsvorschriften. Bei Bedarf entwickeln wir Adaptionsstrategien für unsere Kund*innen und nutzen Kontingentpläne, unser Netzwerk sowie alternative Routen, um Resilienz gegenüber dynamischen Marktkonditionen und veränderlichen Anforderungen zu gewährleisten. Wir gestalten die Carrier Allocation effizienzorientiert und setzen dafür digitale Technologien als wichtigen Hebel ein, um operative Exzellenz in Einklang mit strategischen Geschäftszielen zu bringen.
Herr Boelicke, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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