Ressourcen sind nicht nur endlich, sondern global ungleich verteilt. Eine Verknappung oder der erschwerte Zugang zu Rohstoffen kann wirtschaftliche Risiken wie Produktionsengpässe und steigende Preise zur Folge haben. Die Wiederverwendung und Aufarbeitung von Produkten und Materialien in einer Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) kann einen bedeutenden Beitrag dabei leisten, Ressourcen zu schonen, steigende Nachhaltigkeitsanforderungen zu erfüllen und Beschaffungsrisiken zu minimieren. Welche Infrastruktur notwendig ist, um eine lineare Lieferkette in einen nachhaltigen Lieferkreis zu transformieren und wie die Logistik dabei unterstützen kann, erfahren Sie in unserem Blogbeitrag zum Thema Circular Economy.
Inhaltsverzeichnis
Ressourcenknappheit und die lineare Lieferkette
In alltäglichen Gebrauchsgegenständen sind unzählige Rohstoffe gebunden. Darunter auch solche, die bedeutend und nur durch Import verfügbar sind – wie in Smartphones verarbeitetes Silber, Gold oder Palladium. Oft werden die Produkte am Ende ihrer Nutzungs- oder Lebensdauer entsorgt, statt die wertvollen Ressourcen in den Material- und Verarbeitungskreislauf zurückzuführen. So gehen jährlich Tonnen bedeutender Rohstoffe verloren, die neu beschafft werden müssen – ein kostspieliger Verlust. Nicht nur für die Umwelt und die Gesellschaft, auch für Unternehmen kann die drohende Ressourcenknappheit folgenschwer sein:
- Viele produzierende Unternehmen sind abhängig von seltener werdenden, natürlichen Ressourcen (z.B. für die Herstellung von Mikrochips). Gehen diese Ressourcen zur Neige, laufen sie Gefahr, die Nachfrage nicht mehr bedienen zu können.
- Je knapper die Ressourcen werden, desto mehr steigen die Preise: Das kann zu höheren Produktionskosten und folglich niedrigeren Margen führen.
- Die Natur gerät aus dem Gleichgewicht: Umweltereignisse wie Überschwemmungen, Stürme oder Brände nehmen zu.
Bei der linearen Lieferkette werden Produkte aus neuen Rohstoffen hergestellt und am Ende ihres Lebenszyklusses als Abfall entsorgt („take, make and waste“-Ansatz). Das Modell beruht jedoch auf der Annahme einer unbegrenzten Ressourcenverfügung und endlosen Regenerationsfähigkeit der Natur. Während ein nachhaltiges Wirtschaftskonzept versucht, die drei Aspekte Menschen, Umwelt und Profit im Gleichgewicht zu halten, fokussiert die lineare Herangehensweise hauptsächlich auf den Aspekt Profit.
Kreislaufwirtschaft: Von der Lieferkette zum Lieferkreis
Mit dem Konzept der Kreislaufwirtschaft soll der Lebenszyklus von Materialien und Produkten verlängert werden. Dabei steht Circular Economy für ein ganzheitliches System, das alle drei Aspekte der nachhaltigen Wirtschaft in Einklang bringt und sich auf die Schließung des Ressourcenkreislaufs konzentriert – vom Produktdesign bis hin zur Rücknahmelogistik und Wiederverwertung der Rohstoffe. Für die Herstellung von Waren werden also keinen neuen, sondern bereits verwendete Ressourcen und Abfall verarbeitet.
Um diesen Vorgang zu forcieren und zu beschleunigen, gibt es zunehmend auch gesetzliche Vorschriften und Regularien, die das Thema Nachhaltigkeit in den Vordergrund rücken. Das seit Januar 2023 geltende Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen zu umfangreichen Sorgfaltspflichten gegenüber Menschen und Umwelt in ihrer Wertschöpfungskette. Auf EU-Ebene gibt es zudem eine Verpflichtung zur Rücknahme von Produkten und den gesetzlichen Anspruch auf Reparatur. Darüber hinaus soll im Zuge des European Green Deals der digitale Produktpass eingeführt werden. Dieser soll alle Bestandteile eines Produkts, seine Herkunft sowie Zusammensetzung dokumentieren: Der gesamte Lebenszyklus physischer Produkte – von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung bis hin zur Nutzung, Rückführung und Wiederverwertung – soll auf diese Weise abgebildet werden und so mehr Transparenz bei Nachhaltigkeitsinformationen gewährleisten.
Circular Economy beginnt bei der Produktentwicklung
Doch Bestimmungen allein ändern keine Lieferketten, dafür sind ein grundlegendes Umdenken und Umstrukturieren der bisherigen Prozessschritte notwendig. Bereits im Design- und Entwicklungsprozess sollten die entscheidenden Fragen geklärt werden, die in eine sinnvollen Kreislaufnutzung münden. Wie können das Design und die Verpackung von Artikeln so gestaltet werden, dass im Falle einer Reparatur oder Wiederaufbereitung nur wenige Schritte notwendig sind, um sie wieder in den Kreislauf zurückzuführen? Wie kann die Lieferkette zur Infrastruktur eines regenerativen Systems werden? Damit Circular Economy funktioniert, müssen Herstellungsprozesse, Produktionsanlagen und Logistikkonzepte neu gedacht werden.
So unterstützt Logistik den Aufbau der Circular Economy
Die Logistik spielt eine zentrale Rolle bei der Förderung des zirkulären Warenflusses. Verschiedene Märkte müssen miteinander verbunden und eine hohe Transparenz entlang der Lieferkette gewährleistet werden – ganz gleich, wie komplex sie ist. Verfügen Logistikunternehmen über ein globales Netzwerk, können sie dieses strategisch nutzen und durch Rückwärtslogistik den effizienten Materialfluss vom Verbraucher zurück zum Hersteller erleichtern. Auch durch wertschöpfende Dienstleistungen wie Aufarbeitung, Recycling, Reparatur und Umverteilung können Logistikdienstleister die Rückgabe von gebrauchten oder defekten Geräten begünstigen.
Mit einem angepassten und nachhaltigen Supply Chain Management unterstützt die Logistik dabei, die neue Infrastruktur für eine Circular Economy aufzubauen und zu betreiben. Dazu zählen:
- Beschaffung und Lieferantenmanagement: Materialien sollten nach Nachhaltigkeitskriterien ausgewählt werden. Hierfür sollten Lieferanten hinsichtlich ihrer Leistung und Einhaltung von nachhaltigen Bestimmungen bewertet und überwacht werden.
- Neues Netzwerk: Die Lieferkette wird bei der Circular Economy noch einmal komplexer. Das Netz der Logistikpartner muss um Spezialisten für die Bereiche Reparatur, Recycling, Aufbereitung und Retouren. erweitert werden.
- Distribution und Logistik: Für eine nachhaltige Supply Chain sollten auch die Transportwege und -methoden optimiert werden. Zusätzlich gilt es Rücknahmesysteme für Produkte und Verpackungen zu implementieren. Die Verwendung von erneuerbaren Energien in der Logistik zur Reduktion von Kohlenstoffemissionen unterstützt dabei die Ziele einer Kreislaufwirtschaft.
- Entsorgung und Recycling: Koordiniert werden muss auch, wie die Kreislaufsysteme für die Abfallwirtschaft implementiert werden. Dazu zählt, wie die recycelten Rohstoffe für neue Produkte verwendet werden können und wie die Verwertung von Abfall und Biomasse zur Energieerzeugung genutzt werden kann.
- Kollaboration und Transparenz: Damit die Circular Economy funktioniert, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten entlang der Lieferkette unabdingbar. Um die Lebensdauer der Produkte zu verlängern, müssen alle relevanten Informationen der vor- und nachgelagerten Lieferkette transparent einsehbar sein. Auch Kund*innen und Verbraucher*innen übernehmen durch die Rückführung der Produkte einen aktiven Part.
Lieferanten, Hersteller, Transport- und Logistikdienstleister formen eine Art Ökosystem mit verschiedenen Aufgaben und Angeboten. Um den komplexen Materialfluss in einem Lieferkreis managen zu können, müssen viele verschiedene Komponenten überschaut und koordiniert werden. Dies kann mithilfe intelligenter IT-Lösungen und digitaler Plattformen geschehen. Ein strategisches Supply Chain Management schafft dabei den nötigen Raum, um das gemeinsame Planen, Handeln und Agieren in Einklang zu bringen, zu überwachen und zu optimieren.
Fazit: Kreislaufwirtschaft: Lieferketten müssen neu gedacht werden
Die Kreislaufwirtschaft ist ein widerstandsfähiges System, dass Wirtschaftstätigkeiten vom Verbrauch endlicher Ressourcen loslöst. Ein gut durchdachtes Recycling bietet entscheidende Vorteile – die Rohstoffe befinden sich bereits vor Ort, die Lieferkette kann auf das Management des Materialflusses in einem viel engeren geografischen Radius begrenzt werden. Das schützt vor Ausfällen auf der langen Strecke, senkt Risiken und Kosten gleichermaßen.
Doch damit Circular Economy funktioniert, muss sie als strategisches Ziel in den Unternehmen verankert werden. Um ESG-Kriterien umsetzen zu können, sind Investitionen in die Umkehr- und Rücknahmelogistik notwendig, was zunächst einen finanziellen Mehraufwand für Unternehmen bedeutet. Dieser soll sich jedoch mit längeren Lebenszyklen von Produkten und einer wachsenden Unabhängigkeit von knappen Ressourcen amortisieren.
Beschaffung, neue Netzwerke, Distributionen, Recycling – für die Umstellung auf eine nachhaltige, kreislauforientierte Wirtschaft wird vor allem die Arbeitsweise und Ausrichtung der Logistik maßgeblich beeinflusst, denn der Materialfluss wird noch komplexer. Die Supply Chain muss so ausgerichtet werden, dass die Voraussetzungen für Rückführung, Wiederverwertung und Umweltschutz geschaffen sind: Der Status „Geliefert“ sollte für ein Produkt zukünftig nur noch eine Zwischen- und keine Endstation mehr sein. Davon profitieren Menschen, Umwelt und Wirtschaft.