Die Verabschiedung des European Green Deals markiert einen Wendepunkt in der Gestaltung unserer wirtschaftlichen Zukunft. Durch neue Standards für Nachhaltigkeit, grüne Logistik und umweltfreundliches Wirtschaften soll Europa bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden und seinen Wachstum von der Ressourcennutzung abkoppeln. Im Rahmen dieser Transformationsstrategie werden bestehende Gesetze ständig angepasst oder neu entworfen – mit gravierenden Auswirkungen für globale Lieferketten. Wir erklären, was auf die Unternehmen zukommt und welche Rolle die Digitalisierung dabei spielt.
Inhaltsverzeichnis
Der europäische Grüne Deal – neue Gesetze und Vorschriften
Der European Green Deal zielt darauf ab, Umweltauswirkungen von Produktion und Konsum zu reduzieren. Dazu zählen strengere Emissionsgrenzwerte, Vorgaben für die Kreislaufwirtschaft sowie steigende Anforderungen an die Produktlebensdauer. Die elementaren Eckpunkte des Abkommens sind:
- eine grüne Industrie,
- energie- und ressourcenschonendes Bauen und Produzieren,
- nachhaltige und intelligente Mobilität,
- saubere und sichere Energie,
- EU-Klimaschutzziele für 2030 und 2050,
- den Schutz von Ökostystem und Biodiversität
- sowie eine schadstofffreie Umwelt.
Die Umsetzung des European Green Deals kann Investitionen in nachhaltigere Materialien, effizientere Produktionsverfahren oder innovative Recyclingtechnologien erfordern. Um den Übergang in eine nachhaltige Wirtschaft voranzutreiben, gibt es zahlreiche Regulationsmaßnahmen, Vorschriften und Gesetzesinitiativen, die verschiedene Sektoren der Wirtschaft abdecken, einschließlich Energie, Transport, Landwirtschaft, Gebäude und Industrie.
Ein Überblick über Vorschriften und geplante Maßnahmen, die mit dem European Green Deal korrellieren:
- Das Europäische Klimagesetz wurde im Juli 2021 beschlossen und bildet das Fundament der europäischen Klimapolitik. Es verankert das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 rechtlich und legt den Rahmen für die notwendigen Schritte zur Zielerreichung fest. Auch ist angestrebt, bis 2030 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 zu erreichen.
- Das geplante EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) soll zur Verminderung von Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen in der globalisierten Wirtschaft beitragen.
- Die bereits beschlossene Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtet zukünftig viele Unternehmen dazu, einen detaillierten Bericht über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu veröffentlichen, der nach verbindlichen Standards angefertigt werden muss.
- Mit Sustainable Finance soll die Basis für ein nachhaltiges EU-weites Finanzsystem geschaffen werden.
- Das Paket „Fit for 55“ beinhaltet ein Bündel aus 13 Gesetzesvorschlägen, um neue Ziele für erneuerbare Energien und Energieeffizienz festzulegen und die Verwendung nachhaltiger Kraftstoffe im Verkehr zu fördern. Es soll die Weichen stellen, bis 2030 eine Treibhausgasreduktion um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu erreichen.
Der European Green Deal ist damit ein dynamisches Maßnahmenpaket, das kontinuierlich angepasst, ergänzt und weiterentwickelt wird – Vorschriften können im Laufe der Zeit verändert oder hinzugefügt werden.
Der digitale Produktpass – Katalysator für die Verbesserung der Nachhaltigkeitsstandards
Ein wichtiger Bestandteil des europäischen Klima-Deals ist auch der geplante digitale Produktpass. Dieser soll die Nachhaltigkeit von Produkten verbessern sowie Unternehmen und Konsumenten detailliert über die Herstellung, die Umweltauswirkungen, die Inhaltsstoffe, die Reparatur- und Wartungsfähigkeit sowie das Recycling beziehungsweise die Entsorgung informieren. Der Pass ist somit ein Instrument zur Förderung der Transparenz entlang einer Wertschöpfungskette und dient als zentrales Element, um die Lücke zwischen Verbrauchern und der Herkunft der Produkte, die sie mitunter täglich benutzen, zu schließen.
Der digitale Produktpass soll die Grundlage für eine effiziente Ressourcennutzung und ein gestärktes Recycling-Ökosystem schaffen. Durch die Offenlegung der Materialzusammensetzung und den Zugang zu Informationen über Reparatur- und Entsorgungsmöglichkeiten können die Endverbraucher aktiv zu einer verlängerten Nutzungsdauer und einem höheren Kreislaufwirtschaftspotenzial beitragen. Gleichzeitig werden Recyclingunternehmen und Hersteller bei der Identifizierung von Sekundär-Rohstoffen und der Optimierung von Recyclingprozessen unterstützt. Dies verringert wiederum die Abhängigkeit von Primär-Rohstoffen und trägt zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen bei, indem der Übergang zu einer geschlossenen Materialwirtschaft beschleunigt wird.
Indem der digitale Produktpass künftig alle relevanten Daten zur Verfügung stellt, ermöglicht er eine ganzheitliche Sichtbarkeit der Umweltauswirkungen und sozialen Bedingungen hinter jedem Produkt – was gravierende Auswirkungen auf das operative Geschäft von Unternehmen haben wird.
Digitalisierung und Transparenz zur Umsetzung des European Green Deals
Die Ziele des European Green Deals sowie die Transparenz des digitalen Produktpasses stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen – sie müssen ihre Lieferanten, Produktionsmethoden und Materialbeschaffung kritisch hinterfragen. Lieferketten müssen überprüft und Prozesse bei Bedarf angepasst werden, um den steigenden Anforderungen nach ethisch und ökologisch verantwortungsbewussten Produkten gerecht zu werden. Eine Schlüsselrolle spielen dabei digitale Technologien. Sie stellen die nötige Infrastruktur und die Kapazitäten zur Datenverarbeitung bereit, um die Informationen über die Produkte und einzelnen Lieferkettenabschnitte zu sammeln, zu verarbeiten und zugänglich zu machen. Innovative Lösungen wie Blockchain, IoT oder Künstliche Intelligenz sind dabei nicht nur ausschlaggebend für die Gewährleistung von Sicherheit, Transparenz und Vertrauenswürdigkeit der im digitalen Produktpass enthaltenen Daten, sondern erleichtern Unternehmen auch in anderen Bereichen ein nachhaltigeres Agieren.
Kollaborative Plattformen und Standards für den Datenaustausch sind elementar, um die Interoperabilität entlang der Wertschöpfungskette zu fördern. Smarte Tools erleichtern die einheitliche Erfassung, Verarbeitung und Bereitstellung von Daten und unterstützen damit viele Nachhaltigkeitsinitiativen unter dem Dach des European Green Deals. Durch die Implementierung standardisierter Datenformate und offener Schnittstellen können relevante Informationen nahtlos zwischen Herstellern, Lieferanten, Unternehmen und Kunden geteilt werden, wodurch eine kollaborative und transparente Umgebung entsteht.
Gut vernetzte und transparent agierende Unternehmen sind klar im Vorteil, um die bestehenden und zukünftigen Anforderungen einer klimaneutralen und nachhaltigen Wirtschaft nachzukommen. Das erkennt die Wirtschaft zunehmend selbst, wie die Ergebnisse die Ergebnisse des 19. Hermes-Barometers zur Transparenz in der Supply Chain zeigen: Mehr als zwei Drittel der befragten Logistik-Verantwortlichen (68 Prozent) stimmen zu, dass die Informationsanforderungen an die eigene Lieferkette vor dem Hintergrund der neuen gesetzlichen Richtlinien deutlich zugenommen haben. Darüber hinaus messen mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer der Datenerhebung und -analyse eine Bedeutung bei, um die gesetzlich geforderten Umwelt- und Sozialstandards einzuhalten.
Fazit: European Green Deal – neues Kapitel für nachhaltige Lieferketten
Um das ambitionierte Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreichen zu können, erfordert der European Green Deal eine tiefgreifende Transformation aller Wirtschaftsbereiche. Vor allem die Digitalisierung der Lieferketten spielt dabei eine entscheidende Rolle. Der Erfolg des Euopean Green Deals ist eng verknüpft mit der Fähigkeit, Lieferketten durch digitale Lösungen zu optimieren und transparenter zu gestalten.
Die Einführung von Instrumenten wie dem digitalen Produktpass unterstreicht die Bedeutung von Transparenz und Rückverfolgbarkeit: Nicht nur von Seiten der Regulierungsbehörden und des Marktes werden die Forderungen nach Transparenz lauter – auch die Verbraucher legen zunehmend Wert auf ethische und umweltfreundliche Produkte. Die Notwendigkeit, globlale Supply Chains nachhaltiger zu gestalten, wird damit nicht nur zu einer ökologischen, sondern auch zu einer wirtschaftlichen und sozialen Priorität. Die weitere Digitalisierung ist somit nicht nur ein Werkzeug zur Effizienzsteigerung, sondern ein essentieller Baustein auf dem Weg in eine nachhaltige, inklusive und wettbewerbsfähige Zukunft.