Angesichts veränderter Kundenerwartungen und gesetzlicher Bestimmungen wie das deutsche Lieferkettengesetz oder die neue EU-Richtlinie CSRD stehen Unternehmen zunehmend in der Verantwortung, Umweltbelastungen und Risiken beim Einkauf von Produkten oder Dienstleistungen möglichst gering zu halten. Bei der nachhaltigen Beschaffung ist der ISO 20400-Leitfaden hilfreich: Die Orientierungshilfe adressiert neben dem Umweltschutz auch Aspekte der sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit. Wir haben die Kriterien und Vorteile des ISO-Standards zusammengefasst und erläutern, welche Rolle die digital ausgestaltete Lieferkette bei der Erfüllung von Nachhaltigkeitskriterien spielt.
Inhaltsverzeichnis
Drei Säulen der Nachhaltigkeit für verantwortungsbewusste Beschaffung
Nachhaltige Beschaffung bildet heutzutage einen zentralen Teil der Unternehmensstrategie und berücksichtigt sowohl ökologische als auch ethische und wirtschaftliche Aspekte. Der Ansatz zielt darauf ab, verantwortungsbewusstes Handeln zu fördern, soziale Standards zu verbessern und langfristig eine nachhaltige Wirtschaft zu unterstützen.
Umweltaspekte: Bei der nachhaltigen Beschaffung werden die Umweltauswirkungen von Materialien, Produkten und Dienstleistungen während ihres gesamten Lebenszyklus berücksichtigt, mit dem Ziel, den Ressourcenverbrauch sowie Umweltverschmutzungen zu reduzieren. Dies geschieht beispielsweise durch die Förderung von erneuerbaren Energien oder den Einsatz von wiederverwendbaren Verpackungen.
Soziale Aspekte: Unternehmen beziehen nur Produkte von Lieferanten, die ethische Standards erfüllen. Eine faire Vergütung zählt ebenso dazu wie angemessene Arbeitsbedingungen, eine gesunde Arbeitsumgebung sowie die Vermeidung von Kinder- oder Zwangsarbeit.
Wirtschaftliche Aspekte: Werden bei der nachhaltigen Beschaffung Technologien eingesetzt, die den Energieverbrauch reduzieren, sowie recycelte Materialien genutzt, können Umweltbelastungen minimiert und Betriebskosten langfristig eingespart werden. Nachhaltig agierende Unternehmen profitieren auch von Wettbewerbsvorteilen und stärken ihre Marktposition, da immer mehr Stakeholder Wert auf verantwortungsbewusstes Handeln legen.
ISO 20400 – eine Orientierungshilfe für Unternehmen
Unterstützung bei der Umstellung auf eine nachhaltige Beschaffung bietet die ISO 20400:2017. Der internationale Leitfaden ist für Unternehmen jeder Branche und Größe geeignet und wurde im April 2017 von der International Organisation of Standardization (ISO) entwickelt. Die Inhalte bauen auf dem britischen Standard BS 8903 auf und beinhalten Termini und Kernelemente der Norm ISO 26000 für soziale Verantwortung. Unternehmen und Organisationen werden dabei unterstützt, auf der strategischen und der operativen Ebene Beschaffungspraktiken entsprechend nachhaltigen Entwicklungszielen auszurichten. Die ISO 20400 zielt darauf ab,
- Nachhaltigkeitsziele sowie soziale und ökologische Verantwortung in Beschaffungsprozesse zu integrieren,
- mit Lieferanten zu kooperieren, die umweltschonende Praktiken und Werte teilen,
- die Lebenszyklen von Produkten mitzuberücksichtigen, um Kreislaufwirtschaft zu fördern und Ressourcenverschwendung zu reduzieren,
- die Transparenz in den gesamten Beschaffungsabläufen zu erhöhen und
- die drei Aspekte Menschen, Umwelt und wirtschaftlichen Erfolg im Gleichgewicht zu halten.
Die ISO 20400 basiert auf dem High-Level-Ansatz: Neben der nahtlosen Einbindung in bestehende Managementsysteme ist die Kompabilität mit weiteren Normen wie der ISO 9001 oder der ISO 14001 gewährleistet. Allerdings ist die ISO 20400 selbst ist keine zertifizierbare Managementnorm, sondern bietet lediglich eine Orientierungshilfe für Unternehmen oder Organisationen an, die Nachhaltigkeit in ihre Beschaffungspraxis integrieren möchten. Sie beinhaltet demzufolge auch keine Vorgaben für die Lieferanten, sondern erläutert vielmehr, wie Einkaufende Nachhaltigkeitskriterien definieren und in ihre Arbeitsprozesse erfolgreich einbinden können.
Nachhaltige Beschaffung: Vorteile der ISO 20400 für Unternehmen
Die ISO 20400 bietet eine wirksame Herangehensweise, um Nachhaltigkeit bei der Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen zu etablieren. Unternehmen profitieren auf verschiedenen Ebenen:
- Risk Management: Verstöße gegen ethische oder umweltbezogene Vorschriften können zu erheblichen Strafen oder Haftungskosten führen. Durch die Reduzierung von sozialen, ökologischen oder ökonomischen Risiken wird das Potenzial von Versorgungsunterbrechungen, rechtlichen Problemen und finanziellen Einbußen verringert.
- Erfüllung von Anforderungen: Nachhaltigkeit wird zunehmend zum Fokusthema – die ISO 20400 unterstützt dabei, den steigenden Erwartungen von Kunden oder Regulierungsbehörden gerecht zu werden, und erleichtert die Einhaltung von nationalen und internationalen Vorschriften, die Nachhaltigkeitsaspekte beinhalten.
- Wettbewerbsvorteile und Stärkung der Reputation: Wer konsequent nachhaltig agiert und dies auch nach außen kommuniziert, kann sich von der Konkurrenz abheben und die eigene Marke stärken. Eine positive Wahrnehmung als verantwortungsbewusstes Unternehmen fördert die Kundenbindung, Loyalität und Glaubwürdigkeit.
- Zugang zu neuen Märkten, Ausschreibungen und Partnerschaften: Einige Märkte oder Stakeholder verlangen nachweislich nachhaltige Lieferketten. Beschaffungsstrategien nach ISO 20400 können den Zugang zu neuen Geschäftsfeldern erleichtern, das Interesse von Investoren wecken und die Bildung von langfristigen, vertrauensvollen Partnerschaften unterstützen.
- Kosteneinsparungen: Durch Abfallreduktion sowie Energie- und Ressourceneffizienz können Unternehmen ihre Betriebskosten senken. Die Berücksichtigung von Lebenszyklen und die Wahl wiederverwendbarer, langlebiger Produkte, die weniger häufig ersetzt werden müssen, führt zu langfristigen Kosteneinsparungen.
- Resilienz: Nicht zuletzt trägt eine nachhaltige Beschaffung nach ISO 20400 dazu bei, die Stabilität und Resilienz von Lieferketten zu fördern, da sie auf ethischen Prinzipien und verantwortungsvollen Praktiken beruht.
Digitale Lieferkette: Nachhaltigkeitsziele umsetzen und überwachen
Beschaffungsprozesse sind von der Wahl geeigneter Lieferanten unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien über den Preisvergleich bis hin zur Abwicklung von Bestellungen zeitaufwändig. Digitale Lösungen und Technologien können Abhilfe schaffen, indem sie Abläufe automatisieren und regelmäßig kontrollieren. So sind etwa digitales Risiko-Mapping und intelligentes CO2-Tracking erfolgreiche Methoden, um die Umwelteinflüsse auf die Lieferkette einerseits und die Nachhaltigkeit von Produktion und Transport andererseits im Blick zu behalten. Dabei gilt: Je transparenter die Supply Chain ist, desto wirkungsvoller können Unternehmen auch ihre Nachhaltigkeitsziele nach ISO 20400 überwachen.
- Mehr zum Thema Beschaffung erfahren Sie in unserem Blogbeitrag E-Procurement: erfolgreiche Digitalisierung von Einkauf und Beschaffung
Mit einer erhöhten Supply Chain Visibility erhalten Unternehmen wertvolle Informationen und können die eigene Wettbewerbsfähigkeit in volatilen Märkten stärken. Für eine strategische und operative Logistikplanung müssen die einzelnen Aspekte der Lieferkette wie Beschaffung, Transport und Informationsfluss effektiv miteinander verbunden und koordiniert werden. Mit entsprechenden digitalen Tools können sämtliche Prozesse und Beziehungen innerhalb der Supply Chain offen dargelegt und ein transparentes Data Sharing betrieben werden: Dies minimiert Risiken, die vereinbarten ökologischen oder sozialen ESG-Grundsätze zu verletzen.
Fazit: Nachhaltige Beschaffung nach ISO 20400 als Chance für Unternehmen
Der ISO 20400-Leitfaden fördert einen ganzheitlichen Ansatz und trägt dazu bei, Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt der Beschaffungsstrategien zu rücken. Neben den positiven Auswirkungen auf die Umwelt kann die Umsetzung mithilfe von digitalen Lösungen und innovativen Technologien dazu führen, das Datenmanagement, die Kommunikation sowie das Risikomanagement entlang der Supply Chain zu verbessern. Unternehmen übernehmen mit einer nachhaltigen Ausrichtung der Beschaffung nicht nur Verantwortung für ihre Lieferkette, sondern verschaffen sich auch langfristig Wettbewerbsvorteile, in dem sie neue Marktchancen erschließen und ihre Vertrauenswürdigkeit erhöhen.